Sinah Janssen (links) und Katharina Rimkus sorgen als angehende Heilerziehungspflegerinnen dafür, dass ihre Schützlinge sicher und gesund durch den Alltag kommen. Mit Ballspielen fördern sie auch deren Psychomotorik. Foto: Gossmann
Text: viktoria Hübner
Der Ball wirbelt durch die Luft. Sinah Janssen und Katharina Rimkus halten das Schwungtuch fest in den Händen. Aufmerksam verfolgen sie die Flugbahn. Denn es gilt, den Ball mit dem Stoff wieder aufzufangen. Was nach Spiel und Spaß aussieht, dient vor allem der Psychomotorik. Körperbeherrschung und Wahrnehmung sollen so geschult, das Sozialverhalten gefördert werden. Diese und andere Übungen lernen die 20-jährige Sinah aus Goslar und die 21-jährige Katharina aus Braunschweig während ihrer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Dafür besuchen sie im zweiten Lehrjahr die Akademie für Rehaberufe, genauer gesagt die Fachschule Heilerziehungspflege in Hildesheim.
Zweimal wöchentlich – von 8 bis 17 Uhr – drücken die beiden die Schulbank, die restlichen drei Tage steht Praxis auf dem Programm. Als angehende HEPs, wie die Abkürzung lautet, ist es ihre Aufgabe, Menschen mit Handicap in ihrem Alltag zu unterstützen und ihnen bei allen Aufgaben zu helfen, die sie nicht alleine meistern können. So arbeitet Katharina in der sozialpsychiatrischen Tagesgruppe der Arbeiterwohlfahrt. Dort kümmert sie sich um Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren, die an Autismus oder Aufmerksamkeitsdefizitstörung leiden. Momentan sind fünf Kinder in der Gruppe, ausgelegt ist sie für neun. Wenn die Jungen und Mädchen aus der Schule kommen, betreut Katharina sie bei den Hausaufgaben. Anschließend ist Freizeit angesagt. Je nachdem, worauf die Kids Lust haben, wird gekickt oder gebastelt. „Die Kinder kriegen so Struktur.“ Zuhause sei das oft nicht der Fall. Für zwei bis vier Stunden am Tag gebe es einen geregelten Ablauf, sei eine Bezugsperson da.
Sinah hingegen ist bei der Lebenshilfe Goslar, Bereich Wohnen, im Einsatz. In ihrer Gruppe leben 16 Frauen und Männer mit geistigen Behinderungen und körperlichen Einschränkungen. Einige Bewohner leiden auch an psychischen Störungen und geistigen Behinderungen. „Doppeldiagnose“ nennt sich das. Sinah arbeitet in Früh- und Spätdiensten sechs Tage die Woche. Ein Aspekt, der nicht jedem gefällt. Auf HEPs können auch Nacht- und Wochenendschichten zukommen. Sinah begleitet die Bewohner zum Arzt, führt Gespräche mit Angehörigen und Betreuern und übernimmt die Grundpflege, also Waschen, Umziehen und zur Toilette helfen. „Berührungsängste hatte ich niemals“, betont Sinah. Damit der Eingriff in die Intimsphäre für beide Seiten leichter wird, macht sie Späßchen mit den Bewohnern, plaudert und schäkert nebenbei. Sinah ist manchmal aber auch nur Zuhörerin. Beim Käffchen reden sich ihre Schützlinge die Last von der Seele.
„Kein Tag gleicht dem anderen“, das ist es, was ihr an dem Job gefällt. Auch Katharina schätzt die Abwechslung – und das Feedback. Erst kürzlich schenkte ihr ein Junge aus der Tagesgruppe eine Rose. „Für den schönen Tag und die Arbeit, die du machst“, sagte er. Da musste sie weinen. Anstrengend sei der Alltag trotzdem. „Man braucht einen guten Ausgleich nach der Arbeit“, sagt Ivonne Timme, stellvertretende Schulleiterin und Praxislehrerin. Katharina baut Stress beim Gitarrenspiel und Joggen ab, Sinah auf der Couch und bei Reisen in ihre Heimat Ostfriesland.
Um im Job zu bestehen, braucht es vor allem Flexibilität, Geduld, Teamfähigkeit und auch Durchsetzungsfähigkeit. „Man muss schon Grenzen setzen“, sagt Katharina. Ihr Traum ist es, nach der Ausbildung in Richtung Heilpädagogik zu studieren, um dann als Praxislehrerin zu arbeiten. Sinah zieht es an die Nordsee zurück, wo sie nach der Familiengründung im Kindergarten tätig sein möchte.
Der Beruf Heilerziehungspfleger hat auf jeden Fall Perspektive, sagt Ausbilderin Timme. „Wir haben eine Vermittlungsquote von 90 Prozent.“ Wer sich auf seiner Praktikumsstelle gut verkaufe, bekomme im Anschluss meist auch einen Vertrag. Neben einem sauberen Führungszeugnis und gesundheitlicher Eignung brauche es Empathie und Wertschätzung für Menschen. „Ohne das geht es nicht.“
Ausbildungsberuf
Heilerziehungspfleger/in
Ausbildungsdauer
3 Jahre
Schulabschluss
(Fach-) Abitur oder Realschulabschluss
Vergütung
Schulische Ausbildung mit Praxiszeiten; 80 Euro pro Monat Schulgebühren; Vergütung im Praktikum je nach Vertrag. Informationen unter www.akademie-fuer-rehaberufe.de
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