Kolumne „Unter uns“

Ach, wie schön war das im Dax und Pasha in Hildesheim! Oder...?

Hildesheim - Wenn Millennials aus Hildesheim eine Disco nennen sollen, die sie schmerzlich vermissen, gibt es nur eine Antwort: Dax/ Pasha. Aber war da neben all den spaßigen Erinnerungen nicht noch was? Das fragt sich HAZ-Redakteurin Katharina Brecht in dieser Woche in der Kolumne „Unter uns“.

In der neuen HAZ-Kolumne „Unter uns“ schreiben sich Katharina Brecht und Julia Haller abwechselnd zu Themen, die sie bewegen. Foto: HAZ

Hildesheim - Warum haben wir bestimmte Menschen, Dinge oder Orte viel besser in Erinnerung, als sie in Wahrheit waren, liebe Julia? Da wünscht man sich in die Schule zurück, obwohl man vor jeder Matheklausur tausend Tode gestorben ist. Oder denkt, dass der Verflossene ein wahnsinniger toller Typ war, obwohl der einen echt mies behandelt hat. Neulich musste ich am Ratsbauhof über dieses Phänomen nachdenken. Da entsteht gerade ein Ärztehaus – doch für mich wird der Ort für immer ein Symbol der guten, alten Partyzeit bleiben.

War das eine Ära, als dort noch das Nachtleben tobte. Im Dax bei Schlagern und 90ern mitgrölen und dann mit dem Wodka-E rüber ins Pasha, zu Pitbull und Sean Paul tanzen. Zwischendurch mit den Freundinnen für den Fotografen posieren, was man am nächsten Tag meist bereute. Die Erinnerungen sprudeln nur so hoch: an durchgetanzte Nächte, verstörende Anmachen, neue Bekanntschaften vom Klo, fiese Kater nach dem „Donnersdax“ – und den Döner bei König, der zu jeder Partynacht dazugehörte. Genau wie die Urgesteine, die immer schon in diesem Club standen, wenn man nach dem Vortrinken in seiner schicksten Polyester-Bluse und Tally-Weijl-Röhrenjeans hineinstolperte.

War da nicht noch was?

Wer heute übers Dax spricht, kommt nicht raus aus dem Schwärmen und wünscht sich den Party-Hotspot zurück. Aber vergessen wir dabei nicht etwas? Wenn ich länger drüber nachdenke, war da am Ende nicht mehr viel Glanz. Als ich zum letzten Mal im El Paso, der Cocktailbar nebenan, war, gab es statt einer Speisekarte nur noch einen laminierten Zettel, und im Pasha war überhaupt nichts los. In alten Facebook-Posts wird der Club als „Drecksladen“ mit teuren Preisen beschimpft, die Türsteher kommen nicht gut weg, es ist von Schlägereien die Rede. Wenn wir uns heute ans Dax/Pasha erinnern, erwähnt all das niemand mehr. Dank Nostalgie-Brille können wir in den höchsten Tönen schwärmen, vergessen das Schlechte, vermissen die witzigen Erlebnisse. Aber eigentlich ist das ja auch ein schöner Effekt: Da blenden wir aus, dass wir mittlerweile keine 20 mehr sind, andere Prioritäten, Verantwortungen und Lebensrealitäten haben, und uns heute vielleicht gar nicht mehr so wohlfühlen würden zwischen all dem jungen Gemüse auf der klebrigen Tanzfläche. Praktisch, diese Verklärung!


In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die Frauen um die 30 bewegen.

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