Kolumne: Echt jetzt!

Am Nebentisch – oder: Wie zwei Frauen in Hildesheim über Kinder herzogen

Hildesheim - Menschen im Restaurant belauschen? Das kann Spaß machen. Mitunter kommt es allerdings zu schwierigen Situationen, wie HAZ-Kolumnistin Jana Hintz festgestellt hat. Nämlich dann, wenn man sich plötzlich einmischen möchte.

Ein Ort ohne Kinder ist ein besserer Ort? Gar nicht so leicht, bei solchen Sätzen ruhig zu bleiben. Foto: HAZ

Hildesheim - Es gibt Menschen, die sehr ungern alleine essen – erst recht in der Öffentlichkeit. Und dann gibt es Leute wie mich: Ich schätze das ruhige Speisen. Nicht nur, weil ich dann in Ruhe meinen Gedanken nachhängen kann. Sondern auch, weil ich Dinge um mich herum wahrnehme, die mir sonst verborgen geblieben wären. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich belausche meine Umwelt nicht mit voller Absicht. Aber hier und da ist es sehr interessant, am Nebentisch mitzuhören. Schwierig wird es bloß, wenn das dortige Thema einen selbst nicht unberührt lässt – man es aber natürlich vermeiden möchte, sich einzumischen.

Laut, dreckig, unverschämt

Jüngst aß ich in einem Hotel-Restaurant, allein und in Ruhe. Neben mir nahmen zwei Frauen Platz, etwas älter als ich, offenbar Übernachtungsgäste. Sie begannen, sich fleißig über den in ihren Augen „dicksten Pluspunkt“ des Hotels während ihres Aufenthaltes auszutauschen: keine Kinder. Das sei super, sagte die eine, kein Geschrei während der Mahlzeiten. Kinder machten auch so viel Dreck, entgegnete die andere, nicht nur beim Essen. Unverschämt seien sie und laut. Irgendwann erreichte ich einen Punkt, an dem ich eine Lanze für alle Kinder dieser Welt brechen wollte. Ich erinnerte mich dann allerdings an ein Zitat, das mir in der Vergangenheit mal über den Weg gelaufen ist. Frei aus dem Englischen übersetzt lautet es: „Zuletzt zählen nur drei Dinge: wie sehr du geliebt hast, wie sanft du gelebt hast und mit wie viel Anstand du losgelassen hast, was nicht für dich bestimmt war.“

Der Hund im Café

Ja, dies war ein Moment fürs sanfte Leben. Egal, was ich zu den Frauen sagen würde: Sie würden ihre Meinung über Kinder nicht ändern. Diese beiden würden niemals so berührt sein wie eine Kollegin und ich neulich in einem Hildesheimer Café, als sich ein Kleinkind im Stuhl neben uns so sehr über einen Hund unter dem Tisch freute, dass es minutenlang gluckste und lachte und strahlte. Kinder sind großartig, nicht nur beim Essen. Wer das nicht spürt, verpasst schon genug. Und deshalb ließ ich los.

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