Hildesheim - Es klingt wie ein Fall, den man seit der #MeToo-Debatte häufiger hört: Unangemessene Sprüche am Film-Set; Grenzen, die überschritten werden. Es sind Wochen vergangen, liebe Katharina, seit wir beide „Nur noch ein einziges Mal“ im Thega gesehen haben. Schon damals gab’s Gerüchte, dass es bei den Dreharbeiten gekracht haben soll. Die haben sich mittlerweile erhärtet. Schauspielerin Blake Lively wirft ihrem Co-Star Justin Baldoni vor, sich am Set unangebracht verhalten zu haben. Er soll immer wieder über sein Sexleben gesprochen und unabgesprochene Kuss-Szenen improvosiert haben, außerdem sei er ohne Ankündigung in ihren Trailer gekommen, während sie ihr Kind gestillt habe.
Die New York Times berichtete schließlich von einer Schmutzkampagne gegen die 37-Jährige, die von Baldoni und seinem PR-Team ausgegangen sein soll. Mit dem Ziel, ihrem Ruf zu schaden, ehe die Schauspielerin überhaupt auf die Idee kommt, ihre Vorwürfe öffentlich zu machen. Das hatte Folgen: Wochenlang tauchte eine negative Story nach der anderen über Lively auf. Baldoni selbst zieht jetzt gegen die New York Times vor Gericht – es sei alles ganz anders gewesen, als von der Schauspielerin und in dem Artikel behauptet.
Disqualifiziert als „passendes Opfer“?
Wie auch immer man zu dem Fall steht, eine Sache finde ich spannend: Für viele disqualifiziert sich Lively als „passendes Opfer“, weil sie als unsympathisch gilt. In aufgetauchten Interviews reagiert die Schauspielerin arrogant und zickig. Und den Film, in dem es um häusliche Gewalt geht, nutzte sie, um ihre neuen Haarprodukte zu vermarkten. Klar, das kann man alles daneben finden, man muss sie nicht mögen. Nur: Wieso diskreditiert Lively das als mögliches Opfer von Baldonis mutmaßlichem Fehlverhalten? Ich muss eine Betroffene doch nicht gut finden, um ihr zu glauben. Statt nur das Opfer auf den Prüfstand zu stellen, wäre es angebrachter, einen Blick in die andere Richtung zu werfen – findest du nicht?
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.