Hildesheim - Stell dir mal vor, du bist Polizistin, passt am Rand des Schützenumzugs auf, dass alles sicher bleibt – und dann kommen zwei Männer aus dem Zug auf dich zu und küssen dich plötzlich auf die Wange. Wenn du mich fragst, überhaupt keine schöne Vorstellung, Julia. Die Polizistin sah das wohl genauso. Denn jetzt wird gegen die beiden Hildesheimer ermittelt. Nun, ich habe da einige Fragen. Erstmal: Wissen wir nicht mittlerweile alle, dass man sein Gegenüber nicht anfassen oder küssen sollte, wenn es das nicht auch will? Einfach an die alte Dirty-Dancing-Lektion denken: „Mein Tanzbereich, dein Tanzbereich“ – und Abstand halten.
Mich wundert aber auch, dass sich die Herren für ihren „Spaß“ ausgerechnet eine Polizistin ausgesucht haben. Die Frau war doch sogar eine Autoritätsperson, sie war nicht Teil des Schützenumzugs und daher garantiert nicht in ähnlich heiterer Feierlaune wie die beiden Männer. Außerdem: Wenn die „Bussis“ nur als „Ausdruck der guten Laune und des Danks für die Arbeit der Polizei“ gemeint waren – hätten sie sie auch an männliche Polizisten verteilt? Ich bezweifle, dass die das lustiger gefunden hätten. Niemand, wirklich niemand, will aus dem Nichts die feuchten Münder zweier fremder und vielleicht auch angetrunkener Männer an der Wange kleben haben. Mal im Ernst: Keine Ahnung, wie die beiden die „Bussis“ für eine gute Idee halten konnten – das ist einfach nur übergriffig. Der Vorsitzende der Hildesheimer Junggesellen sagte dazu, es sei nicht das Ziel der Männer gewesen, der Beamtin zu nahe zu treten. Aber sorry: Jemandem näher zu treten als durch einen Kuss, das geht doch kaum.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.