Hildesheim - Da saß dieser kleine Junge auf der Bordsteinkante und weinte bitterlich. Es liefen nicht bloß Tränen. Er schluchzte, sein Körper bebte. Sein Vater kniete daneben, lächelte, strich sanft über den Rücken seines Sohnes und wartete ab. Man könnte sagen: Der Mann ließ es geschehen, gab dem Kleinen Raum zum Traurigsein und zeigte dadurch Mitgefühl. Was passiert war? Nun, der Junge hatte getänzelt und balanciert, war dann abgerutscht und aufs Knie gestürzt. Die Hose war ein wenig lädiert, vielleicht lag darunter eine leichte Schürfwunde.
Laute Emotionen? Unangenehm
Warum ich das an dieser Stelle berichte? Und noch dazu an Weihnachten? Ich nehme die Szene, die übrigens vor ein paar Tagen in der Hildesheimer Innenstadt geschah, als Hinweis an uns alle. Denn der Vater taugt für mich als Vorbild – schließlich ist es alles andere als leicht, die Gefühle anderer einfach auszuhalten. Wie unangenehm das Schluchzen – also die Emotion des Kindes in diesem Moment – für Vorbeieilende war, wurde an den Kommentaren deutlich. „Das wird doch nicht so schlimm sein“, sagte eine Frau, sicher meinte sie es gut. „So ein lautes Weinen bei so einer kleinen Verletzung“, murmelte eine andere. Und: „Wieso beruhigt der Vater ihn denn nicht?!“
Was raus muss, sollte raus dürfen
Für mich war klar ersichtlich: Genau das hat der Mann getan, bloß ohne Druck, ohne „stell dich nicht so an“, ohne „was denken denn die Leute“. Der Fokus lag auf den Emotionen des Kindes, die mussten raus, laut und deutlich, und das war okay. Gerade zu Weihnachten können wir uns alle daran erinnern, wie wichtig es ist, Gefühle auszudrücken und auszuhalten – im Schlechten wie im Guten. Was rausgelassen werden kann, ist nämlich anschließend draußen. Und das ist wichtig, bei Kindern wie bei Erwachsenen. Frohe Weihnachten.
