Aktuell trifft sie in Deutschland etwa jede achte Frau im Laufe ihres Lebens: die Diagnose Brustkrebs. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 65 Jahren, aber viele Frauen sind auch weitaus jünger, wenn sich in ihrem Gewebe Anzeichen einer Krebserkrankung zeigen. Umso wichtiger ist die Früherkennung. Die arbeitet inzwischen weitaus flächendeckender als noch vor Jahren und dank neuer Technologien auch effektiver, sagt der Gynäkologe Dr. Christoph Uleer vom Hildesheimer Mammographie-Screening-Zentrum: „Wir decken den Bereich von Sarstedt bis Göttingen, bis Hameln und Peine ab, ein großes Einzugsgebiet. Zudem gibt es auch die mobile Vorsorge, sodass nahezu jede Frau die Möglichkeit des Screenings wahrnehmen kann.“
Das sogenannte Mammobil ist Teil des deutschlandweiten Mammographie-Screening-Dienstes, ein Kooperationsprojekt von Medizinerinnen und Medizinern, Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Ziel des Projektes ist es, so vielen Frauen wie möglich wohnortnah eine Röntgenuntersuchung zur Vorsorge zu bieten. Die Kosten von mehr als 100 Euro pro Untersuchung tragen die Krankenkassen. Uleer ist seit 2006 Mitglied des Screening-Dienstes und seit 2014 Programmverantwortlicher in der Region. „Durch das flächendeckende Screening per Röntgenuntersuchung konnte die Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs in der Altersgruppe 50 bis 70 Jahren deutlich gesenkt werden – um etwa 25 Prozent“, sagt der 59-Jährige.
Inzwischen wurde die Altersgrenze auf 75 Jahre heraufgesetzt. Und auch in Richtung jüngerer Frauen ist eine Erweiterung der Zielgruppe im Gespräch, wie Uleer sagt: „Aktuell geht es darum, die Altersgrenze für Mammographie von 50 auf 45 Jahre herunterzusetzen.“ Das werde derzeit vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen geprüft, so der Experte, „und dabei geht es auch um die Frage: Bezahlen das die Krankenkassen oder nicht?“ Uleer selbst würde die Neuregelung klar befürworten, sagt er. Rein statistisch betrachtet ist inzwischen jede zehnte Brustkrebspatientin jünger als 45 Jahre.
Doch auch die qualitativen Möglichkeiten der Mammographie haben einen Schritt nach vorn gemacht. Das Screening und vor allem die Auswertung der Aufnahmen wird inzwischen von einer Software mit Künstlicher Intelligenz begleitet. „Wir gehen bei der Auswertung klassischerweise nach dem Vier-Augen-Prinzip vor“, sagt Uleer. „Aber inzwischen ist die KI so gut, dass sie eine Person ersetzen kann.“ Mehr sogar: Seit dem Einsatz der Software habe sich die Erkennungsrate erhöht. „Auf 1000 Mammographie-Screenings kamen bislang rund 5,5 entdeckte Krebsfälle“, sagt Uleer, „jetzt sind es 6,5.“
Die Voraussetzungen für eine Früherkennung der Krankheit und damit eine möglichst hohe Chance auf Heilung stünden also so gut wie nie zuvor. Fehlt nur noch die ausreichende Bereitschaft von Frauen, sie auch wahrzunehmen. „Im Augenblick gehen 50 bis 60 Prozent der Frauen zur Krebsvorsorge“, sagt Uleer, „das müsste besser werden.“ Deutlich besser, wenn es nach ihm ginge. „In die Ausweitung von Vorsorge und Screenings wird viel investiert.“ Das sei auch sinnvoll – zum einen, um Patientinnen im Krankheitsfall langwierige und strapaziöse Behandlungen zu ersparen, denn es gelte bei der Erkennung von Krebs: je früher, umso besser. Zum anderen aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht: „Wir könnten uns im Gegenzug die Finanzierung vieler Therapien und Medikamente sparen. Denn an der Stelle wird es dann erst richtig teuer.“
Nicht an der Aufklärung fehle es zumeist, resümiert Christoph Uleer. „Dass wir noch nicht alle Frauen erreichen, die ein Recht auf Krebsvorsorge und Mammographie-Screening haben, liegt schlicht an deren Trägheit.“ Ein simpler Grund, dem eigentlich ebenso simpel beizukommen sein müsste.
Kathi Flau