Kolumne: Echt jetzt!

Deutschland, ein Land der Vordrängler? In einem Hildesheimer Café lieferte eine Frau den Beweis

Hildesheim - Gibt es in einem Lokal nur noch einen freien Tisch, können sich mitunter unschöne Szenen abspielen. Siegt letztlich doch die Dreistheit? In einem Café in Hildesheim zeigte sich jüngst: manchmal schon.

Hätte sie die fremde Frau ansprechen und den Moralapostel heraushängen lassen sollen? HAZ-Kolumnistin Jana Hintz ist unschlüssig. Foto: HAZ

Hildesheim - Wer mit Kindern den Wocheneinkauf erledigt, verdient in meinen Augen Respekt. Im Vergleich dazu ist das Alleine-Einkaufen ein Wellnesstrip. Niemand schmuggelt unnützes Zeug in den Einkauf? Niemand klettert auf die Kühltruhe, um Eis herauszufischen? Niemand versucht, mit dem Einkaufswagen ein Rennen anzuzetteln? Fast so entspannend wie ein Bad in der Therme.

Kurz durchatmen im Café

Jüngst stellte ich allerdings fest, dass manche Außenstehende wenig Mitgefühl zu spüren scheinen für Großeinkaufende mit Nachwuchs. Ich stolperte bepackt mit Einkaufstüten und -körben, links und rechts je ein quengeliges Kind, aus der Winterkälte in ein Café. Kurz hinsetzen, durchatmen. Mein Blick fiel auf den letzten freien Tisch in der Ecke, ein Glück, wir drei steuerten darauf zu.

Ab nach Hause

Die Rechnung hatten wir aber ohne jene Dame gemacht, die zwar nach uns den Laden betreten hatte, nun aber unbeladen Gas gab, uns links überholte und sich an eben jenen Tisch setzte. Ich staunte, schaute ihr kopfschüttelnd ins Gesicht. Sie hingegen blickte angestrengt in die andere Richtung und tat, als hätte sie uns gar nicht gesehen. Ich blieb noch einen Moment wortlos stehen, entschied mich aber, nicht zum Moralapostel zu mutieren. Zuhause Kaffee zu trinken, ist ja manchmal noch viel entschleunigender.

  • Hildesheim
  • Hildesheim