Hildesheim - Nach der Wahl ist vor den Oscars – während du, liebe Katharina deinen wohlverdienten Urlaub genießt, stelle ich mich schonmal auf die schlafrhythmuszerstörende Nacht der Academy Awards ein. Dieses Jahr besonders spannend: Der Aufstieg und Fall einer Nominierten, die so vielversprechend schien.
Zugegeben: Ich war vom in Mexiko spielenden Musical-Thriller „Emilia Pérez“ nur so mittel begeistert. Weil ich ein ungutes Gefühl hatte, was den Plot anging (Achtung, Spoiler): Ein Drogenkartellboss ist eigentlich transgender und will das Leben als Frau leben. Nach der körperlichen Umwandlung gelingt es der Transfrau, gespielt von Karla Sofía Gascón, ein neues Leben zu beginnen. Und auch frühere Verbrechen wiedergutzumachen, sofern das geht.
Transfrauen – nur verkappte Verbrecher?!
Diese Storyline hat mich ehrlich zu sehr an ein von transfeindlichen Menschen gehegtes Vorurteil erinnert: Transfrauen sind doch eigentlich nur verkappte Verbrecher, die sich Zugänge zu weiblichen Räumen verschaffen wollen. Während der Streifen bei den meisten Leuten durchwachsen ankam, heimste er einen Preis nach dem anderen ein – ob beim Filmfest in Cannes, bei den Critics’ Choice Awards oder den Golden Globes.
Bei der Oscar-Verleihung am kommenden Sonntag ist der Film ganze 13 Mal nominiert. Wieso klaffen aber die Meinungen so auseinander? Meine Vermutung: Der Film kommt bei Juroren und Jurorinnen deshalb so gut an, weil er „woke“ ist. Mit einer Transfrau als Hauptdarstellerin, mit Musicaleinlagen, die experimentell und ausgefallen sind. Anders kann ich mir die Preise jedenfalls nicht erklären.
Alte Tweets aufgetaucht
Was allerdings immer passiert, sobald Menschen Erfolg haben: Andere kramen in ihrer Vergangenheit. Und bei der Hauptdarstellerin Gascón musste man kein Recherchewunder sein, um auf Probleme zu stoßen – sondern nur alte Tweets von der Schauspielerin lesen, die rassistisch und islamophob sind. Alle anderen vom Film haben sich mittlerweile von ihr distanziert, der Transcommunity hat Gascón natürlich einen Bärendienst erwiesen.
Denn: Dass Transmenschen gecastet werden, kommt viel zu selten vor. Sie hätte ein Vorbild sein können. So bekommt der ganze Film einen faden Beigeschmack. Ich würde den Oscar für die beste Hauptdarstellerin übrigens teilen und an Demi Moore („The Substance“) und Mikey Madison („Anora“) vergeben. Aber mich fragt ja keiner.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen