Hildesheim - Lieber Weihnachtsmann, ich weiß, dass du es gut meinst. Du sitzt da den ganzen langen, kalten Tag in diesem Zelt auf dem Dorf-Weihnachtsmarkt, mit deinem Sack voll Schokolade und ein paar Wichtelhelfern. Und warum? Um den vorbeieilenden Kindern eine Freude zu machen. Auch mein Jüngster wagte sich zu dir hinein, an meiner Hand und in kleinen Trippelschritten. Denn so ein Weihnachtsmann wirkt ganz schön groß in seinem Sessel und trotz aller Geschichten erst mal fremd.
Schokolade nur bei richtiger Antwort?
Tja, und dann stellst du meinem Kind – und allen anderen Kindern zuvor und danach – diese Frage: „Warst du denn auch artig?“ Dabei hast du ein Schokomännchen in der Hand, stellst es in Aussicht, aber wartest erst mal auf Antwort. Ich frage mich erstens: Was soll dir ein Kind darauf entgegnen? Sagt es Ja, lügt es. Denn kein Kind – und hoffentlich auch kein Erwachsener – ist immer artig. Antwortet ein Kind aber ehrlich mit Nein, muss es befürchten, nichts Süßes zu bekommen. Schwierige Situation für Drei-, Vier- oder Fünfjährige, findest du nicht?
Lebenslanger Gehorsam?
Ich frage mich zweitens, was du mit dieser Frage überhaupt ausdrücken möchtest. Dass es ein Lebensziel sein sollte, artig zu sein? Angepasst? Gehorsam? Ich bezweifle, dass diese Dinge irgendwie dauerhaft glücklich machen, zuallerletzt ein Kind. Meinem habe ich nach dem Besuch bei dir gesagt, dass es ganz großartig ist, wenn man seine Gefühle zeigen kann und zu ihnen auch Wut, Enttäuschung und Frust gehören. Artig finden Erwachsene das dann oft nicht, nein. Aber darum sollte es doch auch nicht gehen, oder?
