Hildesheim - Ich war letztens krank, lag zwei Wochen lang nur rum. Ein krasser Bruch: Eigentlich steht ja immer irgendwas an, man ist unterwegs, arbeitet, hat Freizeitstress, und dann, plötzlich: nichts. Ich habe fünf Staffeln Serien durchgeschaut und ansonsten vor allem geschlafen. Mich hat das ins Grübeln gebracht – man hat wirklich eine Menge Zeit ohne Arbeit.
Ist zwar noch eine Weile hin bis zur Rente, aber ich habe die Gelegenheit genutzt, um mir schon mal Sorgen zu machen: Was machste denn da mit so viel Zeit? Und weil ich meine Sorgen immer gern mit Menschen abgleiche, die sich verhältnismäßig eher wenige machen, habe ich mir meinen Freund als Rentner vorgestellt. Wie will der später denn die Tage rumkriegen? Jetzt zockt er gerne, klar, das geht auch als Rentner. Macht aber irgendwie keiner. Wobei heutige Rentner natürlich auch nicht mit Videospielen aufgewachsen sind, es gibt also durchaus Hoffnung für ihn.
Warum löst viel Zeit haben ein ungutes Gefühl aus?
Und ich? Ich frage mich vor allem, warum die Aussicht auf viel Zeit für mich allein eigentlich so’n ungutes Gefühl in mir auslöst. Und ich weiß, dass es dir da auch so geht, Katharina. Haben wir es verlernt, uns zu langweilen? Früher hatte man immerhin sechs Wochen Sommerferien, da gab es zwischen Schwimmbadbesuchen und Urlauben auch viel Langeweile. Jetzt ist alles so gefüllt. Aber eigentlich ist Langeweile doch auch etwas Gutes. Eine Pause für Kopf und Körper. Oder? Ich versuche jetzt jedenfalls, mich mal wieder häufiger zu langweilen. Ja, vielleicht blocke ich mir das sogar im Terminkalender. Und ansonsten hoffe ich einfach, es gibt noch Netflix, wenn ich erstmal alt bin.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die Frauen um die 30 bewegen.