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Frauenherzen schlagen anders

Dr. med. Harald Hundertmark, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Hildesheim

In den letzten Jahren sind zunehmend Forschungsaktivitäten erfolgt mit der Frage nach geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Entwicklung und Manifestation kardiovaskulärer Erkrankungen. Dabei spielt natürlich der Hormonstatus eine zentrale Rolle sowie die spezifischen weiblichen Risiken und psychosoziale Faktoren. Es gibt Besonderheiten, die auch in der Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen zu berücksichtigen sind: Frauen haben eher kleine Gefäße und neigen zu Gefäßkrämpfen. Frauen sind durch erhöhte Östrogenspiegel bis zu den Wechseljahren eher geschützt vor arteriosklerotischen Erkrankungen, holen aber danach statistisch auf und überholen sogar das männliche Geschlecht.

Andererseits gibt es spezifische Bedingungen, die das Risiko erhöhen, wie Schwangerschaft mit Schwangerschaftshypertonie oder Schwangerschaftsdiabetes, sowie das polyzystische Ovarialsyndrom (Zysten an den Eierstöcken). Dieses ist mit häufigeren kardiologischen Erkrankungen verbunden. Frauen haben häufiger immunologische Erkrankungen mit vermehrten Entzündungsaktivitäten, die unter anderem zu verstärkter Arteriosklerose führen. Frauen haben doppelt so oft Depressionen, welche ein wesentliches Risiko für kardiale Erkrankungen darstellen, und die Folgen von Bluthochdruck, Adipositas, Zigarettenkonsum, erhöhten Cholesterinwerten und Diabetes sind für Frauen noch gefährlicher als für Männerherzen.

  • KHK und Herzinfarkt

Die Symptome bei KHK und Herzinfarkt sind unterschiedlich. Frauen haben eher Atemnot, dumpfen Brustschmerz und Ausstrahlung in die Schulterblätter. Frauen sind im Durchschnitt 8 Jahre älter bei einem Herzinfarkt, haben dann aber auch ein erhöhtes Risiko, daran zu versterben. Die Herzkranzgefäße sind kleiner, sodass häufiger die kleinen Gefäße die Beschwerden verursachen. Das Broken-Heart-Syndrom betrifft zu über 90% Frauen. Es handelt sich um eine akute Erkrankung des Herzens, verursacht durch Stress und Gefäßkrämpfe. Männer haben häufiger einen sportassoziierten Herz-Kreislauf-Stillstand. Dies wird auf mangelnde Vorsorgeuntersuchungen, erhöhten Wettkampfcharakter und Ehrgeiz mit erhöhtem Stresslevel bei Männern erklärt.

  • Hypercholesterinämie

Die Cholesterinwerte steigen bei Frauen nach der Menopause deutlich an und sollten zu diesem Zeitpunkt einmal aktualisiert werden. Frauen haben öfter schnelle Herzrhythmusstörungen aus den Vorhöfen, Männer häufiger Leitungsbahnstörungen wie das WPW-Syndrom. Frauen haben weniger häufig Vorhofflimmern, entwickeln aber statistisch im Alter über 65 Jahren häufiger Schlaganfälle.

  • Herzrhythmusstörungen

Männer haben häufiger Herzinsuffizienz mit verminderter Schlagkraft des Herzmuskels, Frauen eher bei erhaltener Schlagkraft, aber Störungen der Entspannung des Herzmuskels. Dies führt zu anderen Behandlungsansätzen. Auch die Pharmakologie spielt eine Rolle. Gewicht, Größe, Fettverteilung im Körper, Resorptionszeiten und Abbau der Medikamente sind zum Teil erheblich unterschiedlich.

  • Herzinsuffizienz

Dies sind nur einige Beispiele zur Verdeutlichung der geschlechtsabhängigen Ursachen und Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die genderspezifischen Unterschiede sind strukturell, hormonell und psychosozial bedingt und werden in Zukunft in allen Bereichen der Medizin vermehrt Berücksichtigung finden und zu Konsequenzen bei der Diagnostik, Therapie und Prognose führen.

Dr. med. Harald Hundertmark