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Hildesheim hat ein onkologisches Zentrum – was heißt das?

Prof. Ulrich Kaiser führt im St. Bernward Krankenhaus eins der wenigen zertifizierten onkologischen Zentren in Niedersachsen. Foto: Tarek Abu Ajamieh

In Hildesheim arbeitet eins von nur acht von der Deutschen Krebsgesellschaft anerkannten onkologischen Zentren in Niedersachsen: Die Krebsklinik im St. Bernward Krankenhaus (BK). Welche Voraussetzungen das Haus dafür erfüllen muss, warum viele Therapien heutzutage ambulant absolviert werden können und warum Patientinnen und Patienten mit ihrer Teilnahme an Studien zu weiteren Verbesserungen beitragen können.

■ Das onkologische Zentrum
Acht zertifizierte onkologische Zentren gibt es in Niedersachsen, neben den beiden sogenannten Spitzenzentren der Hochschulen in Hannover und Göttingen sind diese in Braunschweig, Oldenburg, Wolfsburg, Rotenburg, Westerstede und eben im BK angesiedelt. Sie müssen umfangreiche Bedingungen erfüllen. So müssen mindestens drei Unterzentren – offiziell „Organzentren“ – der Onkologie ebenfalls von der Krebsgesellschaft zertifiziert worden sein.

Im BK sind dies das Brustkrebszentrum, das hämatoonkologische Zentrum, das uroonkologische Zentrum und das viszeralonkologische Zentrum. Außerdem müsse das Krankenhaus eine Mindestanzahl an Krebspatienten und Chemotherapien nachweisen, über ausreichend Fachärzte und Fachpflegekräfte sowie Psychoonkologinnen und einen Sozialdienst verfügen und regelmäßig an Studien zu neuen Medikamenten und Therapiemethoden teilnehmen, wie Chefarzt Prof. Ulrich Kaiser auflistet.

Die Zertifizierung muss Jahr für Jahr neu erarbeitet und verdient werden. „In der Onkologie geht die Tendenz ohnehin weiter in Richtung Spezialisierung“, erklärt Kaiser. „Das ist auch ein politisch gewünschter Prozess, um Kompetenzen zu bündeln und Kosten zu sparen.“ Das BK, das seit Jahren die Behandlung von Krebspatienten als Schwerpunkt hat, sieht sich in dieser Hinsicht auch für die Zukunft gut aufgestellt.

■ Ambulant oder stationär?
„Grundsätzlich wird die Onkologie immer ambulanter“, sagt Prof. Kaiser. Patientinnen und Patienten verbringen kürzere Phasen im Krankenhaus – wenn sie denn überhaupt stationär aufgenommen werden müssen. 80 Prozent der Chemotherapie-Behandlungen seien inzwischen so strukturiert, dass die Betroffenen zum BK kommen, ihre Bestrahlung oder Infusion bekommen und wieder nach Hause gehen können.

Die ambulante Behandlung erfolgt gleich neben dem Krankenhaus im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Vinzentinum am Langelinienwall. 20 Plätze gibt es dort, im Schnitt 30 Patienten am Tag erhalten dort ihre „Chemo“. Wer stationär aufgenommen wird, kommt ins BK selbst. „Aber die Ärzte sind dieselben, was natürlich aus Patientensicht für reibungslose Abläufe und eine kontinuierliche Behandlung optimal ist“, so Kaiser.

■ Die Bedeutung von Studien
Gerade in der Behandlung von Krebs hat die medizinische Forschung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten große Fortschritte erzielt. Die Chancen auf Heilung oder auf ein längeres und weitgehend beschwerdefreies Leben mit einer Krebserkrankung sind deutlich gestiegen. „Solche Fortschritte sind aber nur durch Studien möglich“, betont Prof. Kaiser. Das heißt, dass Patienten mit noch nicht zugelassenen Medikamenten oder Therapien behandelt werden. „Das ist natürlich freiwillig, und man kann jederzeit aussteigen“, erklärt der Chefarzt.

Die Risiken seien gering. Denn das BK nimmt nur an Studien der sogenannten Phase 3 im Zulassungsverfahren teil. Das heißt, dass die Verträglichkeit und die wahrscheinliche Wirkung schon in früheren Phasen analysiert worden sind. „Natürlich besteht immer ein kleines Restrisiko etwa bezüglich von Nebenwirkungen“, räumt Kaiser ein. Andererseits verlaufe die Therapie bei Patienten in Studien tendenziell sogar etwas besser – „weil sie natürlich intensiver beobachtet und betreut werden“. Etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten sei zur Teilnahme bereit, zehn Prozent würden am Ende tatsächlich benötigt.

■ Qualifizierte Pflegekräfte
Benötigt werden in der Onkologie auch besonders qualifizierte Pflegekräfte, sogenannte Onkologische Fachpflegekräfte. Das BK bezahlt diese Zusatzqualifikation, die eine zweijährige Weiterbildung beinhaltet – ein Jahr am BK selbst, ein Jahr im Partner-Krankenhaus in Braunschweig.

■ Die Psychoonkologie
Wichtig für die Betreuung der Patientinnen und Patienten ist zudem die Psychoonkologie. Vier entsprechend qualifizierte Fachkräfte hat das BK inzwischen. Sie helfen betroffenen Patientinnen und Patienten, aber auch ihren Angehörigen – nicht zuletzt zum Beispiel Kindern von Krebspatientinnen und -patienten – bei der Bewältigung der psychischen Belastung, die eine Krebserkrankung in aller Regel mit sich bringt. „Wer Krebs hört, macht meist erst mal alle Schotten dicht, empfindet das als extrem bedrohlich“, sagt Kaiser. „Das ist ja auch verständlich.“

Auch wenn statistisch jeder dritte Bundesbürger im Lauf seines Lebens einmal an Krebs erkrankt und viele geheilt werden können. Die Zahl der Krebsfälle nimmt sogar zu, wie Kaiser berichtet. Und zwar deshalb, weil ältere Menschen tendenziell anfälliger sind – und im Zuge der demografischen Entwicklung die Deutschen im Schnitt immer älter werden.

■ Der Sozialdienst
Eine wichtige Hilfe für Krebspatienten ist zudem der Sozialdienst. „Der spielt eine große Rolle“, betont Kaiser – weil seine Mitarbeiter bei ganz praktischen Fragen helfen. So steht, was viele nicht wissen, Betroffenen für die Dauer ihrer Erkrankung zum Beispiel ein Schwerbehindertenausweis zu – mit entsprechendem Kündigungsschutz oder dem Recht auf bestimmte Parkplätze. Auch gibt es Anspruch auf Reha, mitunter auch auf eine Haushaltshilfe. Und bei der Rückkehr in den Beruf das Recht auf Wiedereingliederung.

Tarek Abu Ajamieh