Hildesheim - Jeden Tag veröffentlicht die Hildesheimer Allgemeine Zeitung ein Foto des Tages. Haben Sie auch einen ganz besonderen Schnappschuss gemacht? Dann senden Sie uns das Bild mit dem Betreff „Hingucker“ an redaktion@hildesheimer-allgemeine.de.
„Nanu, da ist ja gar nichts los?!“ Und genau das ist auf dieser historischen Aufnahme so atemberaubend: Man sieht den Kennedydamm am 25. November 1973 aus Richtung Umgehungsstraße fotografiert. Lediglich sechs Radfahrer und einige Fußgänger sind an jenem Sonntagmittag auf Hildesheims Hauptverkehrsader unterwegs. Viele freuen sich über den autolosen Tag ohne Krach und mit besserer Luft als sonst – stellen Sie sich diesen Ort mal heute vor. (Foto: Archiv Verlag Gebrüder Gerstenberg)
Dass der Kennedydamm so leer wurde, lag an einem Krieg, der weit entfernt war – dessen Auswirkungen man aber auch an der Innerste deutlich spürte: Am 6. Oktober 1973, dem Tag des höchsten jüdischen Feiertages Jom Kippur, überfiel eine Koalition arabischer Staaten Israel und rückte mit ihren Truppen auf dem Sinai und den Golanhöhen vor. Der Überraschungsangriff brachte den Arabern aber nur kurzfristig Vorteile, schon nach wenigen Tagen wendete sich das Kriegsglück zugunsten der Israelis, am 24. Oktober trat der von den Vereinten Nationen vermittelte Waffenstillstand in Kraft. Als Reaktion auf die westliche Unterstützung Israels drosselten die arabischen Staaten ihre Öl-Fördermengen, der Ölpreis stieg am 17. Oktober 1973 von rund 3 Dollar pro Barrel auf über 5 Dollar, Ende 1974 lag er bei über zwölf Dollar.
In der Bundesrepublik wurde daraufhin das Energiesicherungsgesetz beschlossen, zu den Maßnahmen gehörten unter anderem die Rationierung von Benzin und Heizöl und vier autofreie Sonntage – und der erste davon war eben der 25. November 1973. In Hildesheim konnte man den vier von der Bundesregierung verordneten „Ohne-Auto-Sonntagen“ auch Positives abgewinnen. Eine Stadt, so ruhig wie ein kleines Dorf, ein Ort, in dem man endlich wieder frei durchatmen konnte. Die meisten Menschen waren auf den plötzlich leeren Straßen per pedes unterwegs, hatten ihre Drahtesel aus der Garage geholt oder nutzten das für den Tag stark erweiterte Angebot von Bus und Bahn. Einziges Ärgernis waren die weiterhin eingeschalteten Ampelanlagen, die für Irritationen sorgten. Ein Abschalten der Anlagen wäre technisch aber zu aufwändig und auch aus Sicherheitsgründen für den verbleibenden Restverkehr unmöglich gewesen.
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