Foto des Tages

Hingucker: Hildesheimer Ziegelei in Flammen – und die Feuerwehr schaut zu

Hildesheim - Eigentlich soll die Feuerwehr löschen, wenn es brennt. 1971 sah sie bei einem Großbrand am Hildesheimer Galgenberg aber nur zu. Was war da los?

Hildesheim - Jeden Tag veröffentlicht die Hildesheimer Allgemeine Zeitung ein Foto des Tages. Haben Sie auch einen ganz besonderen Schnappschuss gemacht? Dann senden Sie uns das Bild mit dem Betreff „Hingucker“ an redaktion@hildesheimer-allgemeine.de.


Am 4. August 1971 steht am Galgenberg die alte Ziegelei in Flammen. Die Feuerwehr ist vor Ort, aber die Retter schauen nur zu, wie das Gebäude langsam niederbrennt. Und nicht nur das: Sie haben sogar mit Brandbeschleuniger nachgeholfen, dass es richtig in Gang kommt. Nach 100 Jahren Firmengeschichte war das Ende der Ziegelei gekommen. Heinrich Deike, Besitzer bis zum 31. Juli 1970, sah die Sache nüchtern: „Wenn ein alter Dampfer nicht mehr fährt, wird er abgewrackt.“

Der neue Eigentümer des weitläufigen Areals an der Bromberger Straße, die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (GAGFA), hatte große Pläne für das Gelände: Aus der alten Ziegelei sollte das Neubaugebiet „Blauer Kamp“ als modernste Wohnanlage der Stadt werden.

Doch zunächst mussten die alten Fabrikhallen weichen. Die letzten Ruinen fielen nach dem Vorbild der Ochtersumer Ziegelei einem „heißen Abriss“ zum Opfer, einer mit der Feuerwehr abgesprochenen Brandstiftung im Dienst durch Benzin und Streichholz. Um den aufwändigen Abtransport von Schutt zu vermeiden, sollten die in ihrem Inneren vorwiegend aus Holz bestehenden Bauten kontrolliert niedergebrannt werden.

Die Männer von Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr nutzten diese Möglichkeit, Erfahrungen bei der Bekämpfung eines Großbrandes zu gewinnen. Am frühen Morgen des 14. August 1971 verteilten sie rund 100 Liter Treibstoff im Gebäude. Um 4 Uhr wird gezündet. Fünf Minuten später brannte die stillgelegte Ziegelei lichterloh.

Der genaue Zeitpunkt war vorher nicht angekündigt worden, um keine Schaulustigen anzulocken. So wurden viele Hildesheimer im Schlaf vom hellen Feuerschein auf dem Galgenberg überrascht. 25 besorgte Bürger griffen zum Telefon, um die Feuerwehr zu alarmieren, die ja schon vor Ort war. Die Übung verlief ohne Probleme oder Schäden in der Nachbarschaft. Nur der Gärtner des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte klagte über reichlich „Flugasche auf seinem Blumenkohl“.

Konnte die Ziegelei noch wie geplant zügig abgerissen werden, wurde über die vorgesehene Neubebauung mit Hoch- und Terrassenhäusern im Rat heftig gestritten. Nach jahrelanger Hängepartie ging die „leidvolle Geschichte“ dann 1978 doch glücklich zu Ende. Im Februar feierten die Menschen das erste Richtfest am „Blauen Kamp“.

An die 1971 kostengünstig abgebrannte Ziegelei erinnern am Blauen Kamp heute noch die Tonkuhle als beliebter Badesee. Und die beiden Direktorenvillen an der Bromberger Straße.

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