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Hingucker: Schön gruselig – das Totenhaus am Hildesheimer Marienfriedhof

Hildesheim - Ein Blick zurück auf ein eher unscheinbares Gebäude auf dem Hildesheimer Marienfriedhof, das im Laufe der Zeit ganz unterschiedlich genutzt wurde.

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Möchte man sich gern an ein Totenhaus erinnern? In diesem Fall wohl schon. Schließlich handelt es sich bei dem auf den ersten Blick eher unscheinbaren Gebäude auf dem Marienfriedhof um einen „grundanständigen“ und „erhaltenswerten“ Bau, wie Denkmalpfleger Kurt Illge zum Zeitpunkt der Aufnahme im März 1967 rühmte. Sein Biedermeier-Architekt habe „den klassizistischen Einfluss in gute Formen“ gebracht. Zu dieser Zeit befand sich das kleine Häuschen leider schon in einem bemitleidenswerten Zustand. Noch einmal fünfzehn Jahre später waren die Schäden durch Feuchtigkeit irreparabel fortgeschritten, das Haus war nass bis unter das Dach. Stadtbaurat Wolfgang Riemann ließ es abreißen.

Zu Beginn der 1830er-Jahre war in Hildesheim der Bedarf nach einer zusätzlichen Friedhofsfläche groß gewesen, im Nordosten der Stadt richtete die Stadt den Marienfriedhof ein und übergab ihn am 17. August 1834 seiner Bestimmung. Zeitgleich begannen die Arbeiten für den Bau des Totenhauses, das 1836 fertiggestellt werden konnte.

Mit der Eröffnung des Zentralfriedhofs, dem heutigen Nordfriedhof, im Jahr 1890 verlor das Totenhaus seine ursprüngliche Funktion, es wurde zum Wohnhaus des Friedhofsgärtners. 1957 wurde das Gebäude noch einmal aufwändig saniert, um dann in einen Dornröschenschlaf zu verfallen. Trotz vieler Zeitungsaufrufe konnte die Stadt keinen neuen Nutzer finden.

Mit dem Abriss verschwand eine Fundgrube gruseliger Geschichten. Das lag nicht zuletzt an einer panischen Angst der Menschen davor, lebendig begraben zu werden. Die Angehörigen konnten die Verstorbenen im Totenhaus so bis zur Trauerfeier außerhalb ihrer Wohnungen aufbewahren lassen. Außerdem war ein Wächter vor Ort, der ein Auge auf die Leichen hatte. Ein System von Schnüren und Glöckchen sollte auch in Hildesheim Alarm geben, wenn ein Scheintoter durch Bewegungen auf sich aufmerksam gemacht hätte.

Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts legte sich die Angst vor dem Scheintod wieder, das Totenhaus wurde aber 1867 noch einmal zum Ort einer Gruselgeschichte: Während der schweren Choleraepidemie in der Stadt, die insgesamt 211 Menschenleben kostete, erkrankten neben der Familie des Totengräbers auf dem Marienfriedhof auch mehrere Personen, die aus Neugier die Choleraleichen im Totenhaus angesehen hatten.

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