Foto des Tages

Historischer Hingucker: Plötzlich im Verborgenen – die Vorgänger der Hildesheimer Weinkostbar

Hildesheim - Gefeiert wurde hier ordentlich – sowohl von Einheimischen als auch von Messegästen und vor allem der als „historischer Ulli“ bekannte letzte Pächter, ist immer noch eine legendäre Größe in der Geschichte der lokalen Gastronomie. Ein Blick auf eine ganz besondere Hildesheimer Weinstube.

Hildesheim - Jeden Tag veröffentlicht die Hildesheimer Allgemeine Zeitung auf ihrem Instagram-Kanal ein Foto des Tages. Haben Sie auch einen ganz besonderen Schnappschuss gemacht? Dann senden Sie uns das Bild mit dem Betreff „Hingucker“ an redaktion@hildesheimer-allgemeine.de.


Die traurige Nachricht für viele Hildesheimerinnen und Hildesheimer zuerst: Die Weinkostbar schließt. Die Weinstube direkt am benachbarten Hotel „Bürgermeisterkapelle“ ist über die Grenzen der Stadt bekannt und beliebt und hat eine reiche Historie. Zwar liegt sie, wie auf der historischen Aufnahme aus dem Archiv des Verlags Gebrüder Gerstenberg vom 24. Juli 1981 zu sehen, mittlerweile zu Teilen unsichtbar hinter dem Mittelbau des Hotels verborgen, aber Bacchus Jünger fanden den Weg in ihre Weinstube weiterhin zielsicher, manche angeblich sogar im Schlaf – und sie brauchten nicht einmal das ebenfalls sichtbare Hinweisschild („Weinstube geöffnet“).

Die Weinstube befand sich seit jeher in Räumen, die einst das Hinterhaus eines Anwesens der Patrizierfamilie Brandis waren. Es handelt sich um eine sogenannte Kemenate, also wie der lateinische Begriff „caminata“ es bereits sagt, um einen beheizbaren Wohnraum. Der Herrensitz der Brandis wurde beim Durchbruch der Rathausstraße zur Zingel 1867 abgerissen, die Kemenate blieb. An die Stelle der alten Brandis-Residenz trat ein Gasthof, 1937 übernahm Richard Strohmeyer das „Lindener Braustübel“. Die Kemenate war zwischenzeitlich zur Abstellkammer verkommen, doch 1925 wurde die einzigartige Atmosphäre der alten Mauern wiederentdeckt und dort eine historische Weinstube eröffnet.

Die „Bürgermeisterkapelle“ trotzte auch den Bombenangriffen des Weltkrieges, nur das Obergeschoss ging in Flammen auf. Das Dach wurde sofort repariert, der Betrieb zum „Hotel Bürgermeisterkapelle“ ausgebaut, Käthe und Franz Marksteiner übernahmen 1950 die Pacht des kleinen Weinlokals. Das wurde langsam, aber stetig von den Erweiterungsbauten des Hotels eingekreist, 1981 verschwand es ganz hinter Beton. Der Leiter des städtischen Bauordnungsamtes Joachim Ruwiedel kommentierte die Entwicklung mit den bemerkenswerten Worten: „Ein Baudenkmal muß nicht unveränderbar sein, und es muß auch nicht für die Öffentlichkeit sichtbar sein.“ Nach 55 Jahren ging die Ära Marksteiner zu Ende, der „historische Ulli“ ging als Pächter in den Ruhestand, seitdem setzt die Weinkostbar die Tradition fort.