Wann ist Schnarchen ein gesundheitliches Problem – und auf welche medizinische Hilfe können Schnarcherinnen und Schnarcher hoffen, bei denen konservative Behandlungen versagt haben? Seit Sommer vergangenen Jahres werden am Helios Klinikum in Hildesheim sogenannte Zungenschrittmacher implantiert, um bei bestimmten nächtlichen Atemproblemen zu helfen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um die Therapiemethode geben der Leitende Oberarzt Dr. Markus Pietsch und Oberarzt Dr. Ingo Zimmermann, beide sind Chirurgen an der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie am Helios Klinikum Hildesheim.
■ Ist Schnarchen gesundheitsgefährdend?
Nicht per se, erklären Dr. Pietsch und Dr. Zimmermann. Das Schnarchen als solches ist kein Gesundheitsrisiko, sofern man die psychische Komponente mit eventuellen Bettpartnern ausklammert.
Bei einem Teil der Betroffenen kann das Schnarchen aber auf ein Gesundheitsrisiko hindeuten – das ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Zum Beispiel kann Schnarchen ein Anzeichen für sogenannte obstruktive Schlafapnoe sein, die durchaus gefährlich sein kann.
■ Was ist obstruktive Schlafapnoe?
Der Begriff bedeutet so viel wie: Atemstillstand beim Schlafen durch Versperrung. Gemeint ist damit, dass zusammensackendes Gewebe im Hals-Rachen-Raum den Luftfluss zur Luftröhre versperrt. Häufig liegt das an der Zunge, die nach hinten rutscht.
Sinkt das Sauerstofflevel im Blut dabei zu sehr ab, fährt der Körper gewissermaßen vom Schlaf- in den Dämmerzustand hoch, um durch Erhöhung der Muskelspannung die Versperrung zu beseitigen. Oft gehen diese Atempausen mit Schnarchen einher.
■ Ist obstruktive Schlafapnoe gefährlich?
Ja und nein. Bis zu einem gewissen Grad sind diese Atempausen beim Schlafen normal und unbedenklich. Wer bis zu zehn in einer Stunde Schlaf hat, muss sich keine Sorgen machen.
Bei mehr als zehn Pausen allerdings spricht man von einer obstruktiven Schlafapnoe, die durchaus gefährlich sein kann – wenn auch nicht akut. Sie kann etwa zu Bluthochdruck, gesteigertem Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko, Diabetes und bleierner Müdigkeit führen, weil dem Körper erholsame Tiefschlafphasen verwehrt bleiben.
Die Symptome sind aber von Fall zu Fall unterschiedlich, so gibt es auch Betroffene, die nicht mit Müdigkeit kämpfen, während andere tagsüber im Sitzen einschlafen.
■ Wer ist betroffen?
Die Dunkelziffer ist groß, die Ärzte gehen davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Bevölkerung betroffen sein könnte. Männer häufiger als Frauen, ältere Menschen eher als jüngere, fettleibige eher als schlanke Personen.
Aber das sind statistische Werte – in der Praxis können auch schlanke junge Frauen betroffen sein. Alter und Fettleibigkeit spielen deshalb eine Rolle, weil sie das Gewebe an den oberen Atemwegen tendenziell weniger fest werden lassen.
■ Wie wird obstruktive Schlafapnoe diagnostiziert?
In der Regel erfolgt die Erstdiagnostik durch niedergelassene schlafmedizinisch ausgebildete Ärzte (Hausärzte, Lungenfachärzte, HNO-Fachärzte), bei denen sogenannte Polygrafien, also bestimmte Schlaf-Untersuchungen, vorgenommen werden.
Laien können den Unterschied zu unbedenklichem Schnarchen in der Regel nicht einfach durch heraushören. Die weitere Diagnostik erfolgt dann im Schlaflabor.
■ Was ist die gängige Therapie?
Für rund 95 Prozent der Betroffenen ist eine sogenannte CPAP-Maske das Mittel der Wahl. Der Patient schläft fortan mit einer Maske, die über einen Schlauch mit einem Kompressor neben dem Bett verbunden ist. Per Luftdruck werden die Atemwege frei gehalten.
■ Für wen ist der Zungenschrittmacher geeignet?
Wenn eine Behandlung per CPAP-Maske bei einem Patienten nicht möglich ist – etwa, weil die Enge der Maske nicht ertragen wird oder sich die Haut durch den stundenlangen Maskenkontakt entzündet –, kommt der Zungenschrittmacher in Betracht.
Dafür muss allerdings zuvor im Schlaflabor geklärt werden, ob tatsächlich die Zunge die Versperrung der Atemwege verursacht und nicht etwa der Gaumen. Der Zungenschrittmacher kommt also erst in Betracht, wenn die Standardtherapie versagt.
■ Wie funktioniert der Zungenschrittmacher?
Das Prinzip ist ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Es gibt mehrere Modelle, bei dem Modell des Herstellers Inspire, das im Helios Klinikum Hildesheim eingesetzt wird, funktioniert es so:
Bei einer OP wird eine Manschette um denjenigen Teil des Zungennervs gelegt, der die Zunge nach vorne (Richtung Lippen) schnellen lässt. Der eigentliche Schrittmacher ist ein kleines Gehäuse, das unter dem rechten Schlüsselbein implantiert wird.
Außerdem wird eine Sonde in die Zwischenrippenmuskulatur eingesetzt. Registriert diese Sonde, dass die Muskeln eine Einatmungsbewegung machen, wird der Zungennerv aktiviert: Die Zunge schnellt beim Einatmen nach vorne und der Atemzug gelingt.
Bei einigen Patienten kommt so die Zungenspitze bei jedem Atemzug zwischen den Lippen hervor. Damit der Patient nicht auch im Alltag mit der Zunge wackelt, kann er den Schrittmacher mit einer Fernbedienung steuern.
■ Wie lange dauert es, bis der Schrittmacher gegen die obstruktive Schlafapnoe wirksam wird?
Es kann Monate dauern, bis die Patienten in einem langsamen Gewöhnungsprozess so weit sind. Der Impuls des Schrittmachers muss relativ stark sein, damit die Methode funktioniert. Darum wird die Kraft schrittweise gesteigert, sodass der Patient sich daran gewöhnt, trotz der Zungenbewegungen zu schlafen.
■ Woher nimmt der Schrittmacher seine Energie?
Über einen Akku, der etwa zehn Jahre hält.
■ Wie viele Patienten haben im Helios Klinikum Hildesheim schon einen Zungenschrittmacher bekommen?
Zusammen mit der Lungenklinik baut das Team der HNO, Kopf- und Halschirurgie diesen Bereich derzeit auf. Im Sommer 2024 wurden die ersten drei Schrittmacher implantiert. Weitere OPs sind bereits geplant.
In anderen Helios-Kliniken werden schon bereits mehr als 100 Geräte pro Jahr implantiert, etwa in Krefeld.
■ Was kostet der Schrittmacher?
Das Gerät samt OP zur Implantation kostet etwa 27.000 Euro.
■ Ist der Schrittmacher eine Kassenleistung?
Ja, für die geringe Zahl der Apnoe-Betroffenen, bei denen konservative Therapien versagen und die für diese Therapie geeignet sind.
Philip Kampert