Hildesheim - Wann hattest du das letzte Mal so richtig viel Zeit, liebe Julia? Ich kann mich nicht erinnern, wann das bei mir in den letzten Jahren der Fall war. Wann gab es mal Luft, wirklich durchzuatmen? Irgendwas ist doch immer. Einen Tag im Kalender, an dem kein Termin ansteht, gibt es selten. Da hetze ich dann nach der Arbeit meist direkt hin, ohne noch mal kurz durchzuschnaufen. Eine übereinstimmende Lücke in den Terminplanern mit Freundinnen zu finden, ist ja ohnehin eine Kunst für sich: Die will also genutzt werden! Aber der Körper schreit derweil nach einem Ausgleich zum vielen Sitzen auf der Arbeit. Also geht es ab ins Fitnessstudio, wenn ich nicht verabredet bin. Dann ist da noch der Haushalt: Die Wohnung muss geputzt, der Kühlschrank gefüllt, das Essen gekocht, der Müll rausgebracht werden. Wie machen das eigentlich Menschen, die auch noch Kinder oder Haustiere haben?
Puh, ich sags dir ehrlich, ich bin ohne schon ganz schön dauergestresst. Und dazu kommt, dass ich eigentlich permanent ein schlechtes Gewissen habe. Denn eine Entscheidung für eine Aktivität heißt auch immer, die anderen zu vernachlässigen oder aufzuschieben. Wenn ich also zum Beispiel sonntags meine Nase in ein Buch stecke, das nun schon seit Wochen unberührt auf meinem Nachttisch liegt, und mir eine Auszeit gönnen will, denke ich parallel drüber nach, dass ich dringend mal wieder die Fenster putzen, den Kleiderschrank ausmisten, mein Auto waschen müsste. Eine Krux: Müsste ich die freie Zeit nicht effizienter nutzen? Dabei ist es doch auch wichtig, sich Auszeiten zu gönnen, Stichwort Achtsamkeit. Doch wann ist dafür der richtige Zeitpunkt? Vielleicht sollte ich mir dafür auch mal einen Termin in den Kalender schreiben. Herrje, dieser Strudel an To-Dos hört wirklich nie auf.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.