Die Diagnose Krebs ist für die meisten Menschen ein großer Schock. Viele sehen sich nach dem Gespräch mit dem Onkologen schon auf dem Sterbebett liegen. „Dabei haben wir heute sehr viele Möglichkeiten, wie wir Krebs behandeln können“, sagt Prof. Frank Lehner, Chefarzt der Helios-Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie Direktor des Zentrums für Chirurgie. Tausende Frauen und Männer hat der 57-Jährige während seines Berufslebens an Magen und Darm, Speiseröhre, Leber und Milz, Gallenblase oder auch Bauchspeicheldrüse operiert.
Darmkrebs zählt in Deutschland zu den häufigsten Krebsarten. Etwa jede achte Krebserkrankung in Deutschland betrifft den Dickdarm beziehungsweise den Mastdarm. Oft sind dabei noch weitere Organe im Körper betroffen. „Wenn jemand zu uns kommt, schauen wir erst einmal, ob der Krebs lokal begrenzt ist oder schon gestreut hat“, sagt Lehner. In der Regel passiert dies mit einer Computertomographie des Brust- und Bauchraums. Der Darmkrebs entwickle zum Beispiel oft Metastasen in den Lymphknoten, der Leber oder der Lunge. Ist der Tumor lokal begrenzt, wird in der Regel schnellstmöglich operiert. Hat er schon gestreut, überlegen die Fachleute, welche weiteren oder zusätzlichen Therapieformen sinnvoll sind.
All das wird in einer abschließenden Tumorkonferenz besprochen, bei der die Chirurgen, Onkologen, Pathologen, Strahlentherapeuten und Radiologen eine gemeinsame Therapieempfehlung für den Patienten oder die Patientin abgeben. Am Helios Klinikum in Hildesheim wurden im Jahr 2024 rund 100 Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs operiert, bei etwa 80 von ihnen war der Dickdarm betroffen, der Rest litt unter Mastdarmkrebs. Das Stichwort bei der Behandlung heißt dabei immer öfter: Präzisionsonkologie oder personalisierte Krebsmedizin. Dabei handelt es sich um einen Ansatz zur Krebsbehandlung, der die individuellen Eigenschaften eines Tumors und des Patienten berücksichtigt, um eine maßgeschneiderte Therapie zu entwickeln.
Statt einer Einheitsbehandlung, die für alle Patienten mit einer bestimmten Krebsart gilt, zielt die Präzisionsonkologie darauf ab, die Therapie an die spezifischen Merkmale des Tumors und die Bedürfnisse des Patienten anzupassen. Die wichtigsten Säulen neben der OP sind dabei die Chemo- und die Strahlentherapie sowie in ausgewählten Fällen die Immuntherapie. Die Chemotherapie ist eine Behandlungsmethode, bei der Medikamente eingesetzt werden, um Krebszellen abzutöten oder ihre Vermehrung zu stoppen. Bei der Strahlentherapie werden Tumoren unter Kontrolle gehalten oder zerstört. Die Immuntherapie zielt darauf ab, Tumorzellen gezielt zu erreichen und dadurch zu zerstören.
Bei den Operationstechniken haben die Ärzte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Wurde früher für solche Operationen der Bauchraum großflächig geöffnet, kommen heute vielfach Präzisionsinstrumente zum Einsatz, die nur noch an einzelnen Stellen ins Körperinnere geführt werden. Das wiederum führe dazu, dass die Patienten deutlich schneller wieder auf die Beine und damit auch aus dem Krankenhaus heraus kämen, sagt Lehner. Bei Darmkrebs-OPs betrage die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Krankenhaus nur noch vier bis acht Tage. Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. „Aber nicht bei Darmkrebs“, sagt der Onkologe. Da seien auch oft jüngere Menschen betroffen. Dafür kämen die Genetik, verschiedene Umweltfaktoren oder auch eine zunehmend ungesündere Ernährung infrage.
Wer eine Darmkrebsbehandlung überstanden hat, bleibt im weitesten Sinne weiter ein Krebspatient. Regelmäßige Nachsorge mittels Blutanalyse, Ultraschall und Computertomographie sowie Kontroll-Darmspiegelungen sind Standard. Später werde der Abstand erweitert. Und oft übernehmen dann auch die Hausärzte die Kontrollen. „Man bleibt auf jeden Fall in der Nachsorge“, sagt der Chefarzt.
Christian Harborth