Hildesheim - Wann wollte das letzte Mal jemand von dir wissen, wann du heute „on“ kommst, liebe Julia? Das ist vermutlich lange her. Aber für uns Millennials gehörte das in den 2000ern doch zu den alltäglichen Fragen. Als sich noch alles in diesem einen Computer-Programm abgespielt hat – auf ICQ. Da stand man noch nicht permanent im Austausch, sondern musste sich zum Chatten verabreden und konnte nur dann digital kommunizieren oder coole Spiele wie „Zoopalola“ und „Schere-Stein-Papier“ gegeneinander zocken, wenn man zeitgleich zu Hause vor der viereckigen Kiste saß.
„Ah oh“, das Affengeräusch, hieß: neue Nachricht! Zum Beispiel von Freundinnen mit merkwürdigen Nicknamen wie „Kleine Kirsche“ oder „Playgirl95“. Vielleicht auch von dem Schwarm, mit dem man sich in der Schule niemals zu unterhalten getraut hätte. Oder von Fremden aus der ICQ-Suche. Ich habe da zum Beispiel mal Alexander Klaws gefunden und mit ihm gechattet – naja, dachte ich zumindest. Am anderen Ende saß vermutlich jemand ganz anderes. Ziemlich problematisch, heute sehe ich das auch so.
Kein Zugang unter dieser Nummer
Als Teenie fand ich’s aber spannend und aufregend. Meine Mutter fand’s nicht so lustig: Sie war sauer, wenn ich die Chat-Fenster weggeklickt hab, sobald sie dazu kam. Aber das war natürlich streng geheim! Irgendwann gab’s deswegen Computerverbot. Das war schlimm: Dann musste ich auf SMS zurückgreifen, und die waren zeichentechnisch sehr begrenzt und verdammt teuer, mein Prepaid-Guthaben war ratzfatz leer. Hach, was für Erinnerungen!
Irgendwann war es dann einfach vorbei mit ICQ. Und auch offiziell endet bald die Ära des Kult-Messengers, Ende Juni wird er abgeschaltet. Aus Nostalgiegründen habe ich versucht, mich noch ein letztes Mal einzuloggen – natürlich kenne ich meine neunstellige ICQ-Nummer noch auswendig. Aber rein kam ich nicht mehr: Ich habe keinen blassen Schimmer, was mein Passwort war. Ist vielleicht auch besser so. Denn falls die Chats von damals noch gespeichert wären, würde ich mich dafür sicher noch mehr schämen als für meine Facebook-Posts. Also: Auf nimmer Wiedersehen!
In der neuen Kolumne „Unter Uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Julia Haller und Katharina Brecht im wöchentlichen Wechsel über Themen, die Frauen um die 30 bewegen.