Hildesheim - Du, Katharina – in unserem Job ist der Tod ja irgendwie allgegenwärtig. Das klingt jetzt etwas dramatisch, immerhin sind wir keine Ärztinnen oder Leichenbestatterinnen. Aber wir berichten darüber, wenn jemand bei einem Unfall stirbt, oder wenn Gewaltverbrechen passieren. Das nimmt einen schon auch mit, klar, aber da ist ja immer noch dieser Abstand. Alles fremde Menschen, über die man da schreibt; ganz sachlich und nüchtern. Das ist unser Job. Bis es plötzlich nicht mehr weit weg ist, wenn wir selbst Menschen verlieren, die uns nahestehen. Aber es gibt auch etwas dazwischen, zwischen dem Ganz-weit-weg und dem Ganz-nah-dran. Vor ein paar Tagen schickte eine frühere Studienfreundin mir eine Todesanzeige. „Hast du es schon gehört?“, fragte sie mich. Hatte ich nicht. Eine Dozentin, in deren Seminaren wir damals Dauergäste waren, ja, die sogar meine Abschlussarbeit betreut hatte, war verstorben.
Katharina, mich hat das ziemlich schockiert zurückgelassen. Nicht nur, weil sie meine liebste Dozentin war, die mich in so vielen Dingen geprägt hat, sondern auch, weil sie gerade einmal Anfang 50 war. Nach langer Krankheit, heißt es in der Anzeige. Davon wusste ich nichts; unser Mailkontakt nach meinem Abschluss war irgendwann versandet. Weil das Leben dazwischen kam, vermute ich – und jetzt der Tod. Diese Dozentin, die uns so viel über soziale Ungleichheiten in Bildungssystemen beibrachte, mit uns über Gender-Pay-Gaps diskutierte und so viele Denkanstöße gab – einfach nicht mehr unter uns? Vor meinem inneren Auge war ich sofort wieder im Seminarraum, den sie mit Leben füllte, mit energischen Diskussionen, die gern auch mal bis nach Seminarschluss andauern durften. Weil sie für das brannte, was sie unterrichtete. Wie viel ich von ihr gelernt habe! Nur, gesagt habe ich ihr das nie, zumindest nicht so deutlich. Wie komisch, dass manche Menschen so einen großen, nachhaltigen Einfluss auf uns haben können – und sie nie davon erfahren. Manchmal begleiten uns Personen eine Zeit lang so intensiv, und dann ... hört es eben auf. Vielleicht sollten wir öfter mal bewusst darüber nachdenken – und denen, die uns geprägt haben, davon erzählen, solange es noch geht?
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im wöchentlichen Wechsel über Themen, die Frauen um die 30 bewegen.