Kolumne: Unter uns

Schlussmachen im Supermarkt: Warum uns die Probleme der anderen irgendwie entspannen

Hildesheim - HAZ-Kolumnistin Julia Haller hat letztens im Supermarkt den Streit eines Pärchens mitbekommen – und konnte einfach nicht weghören.

Na, wieder vorm Fernseher eingeschlafen, während sich die Leute im neuesten Trash-TV-Format die Köpfe eingeschlagen haben? HAZ-Kolumnistin Julia Haller glaubt, dass die Probleme der anderen entspannend wirken. Foto: HAZ

Hildesheim - Du, Katharina, letztens musste ich seit langer Zeit mal wieder übers Schlussmachen nachdenken. Nein, keine Sorge, ich gebe meinem Freund nicht den Laufpass. Aber ich war beim Ende einer fremden Beziehung dabei. Hautnah! Glaube ich jedenfalls. Vor einigen Tagen nämlich, im Supermarkt. Wenn du mich fragst, nicht unbedingt der beste Ort für intime Angelegenheiten. Immerhin können die Leute in den Nachbargängen jedes Wort mithören. So wie ich. Ich hab natürlich die Lauscher gespitzt, unentdeckt und auch ein bisschen unverschämt. „Schämst du dich denn gar nicht?“, fragte sie ihn im Streit. Er antwortete: „Boah, beruhig dich mal.“

Gibt’s eigentlich noch schlimmere Orte für sowas als den Suppengang im Supermarkt seines Vertrauens? Und, sei ehrlich: In solchen Situationen kann man doch gar nicht weghören, oder? Einmal, weil man sich selbst wiedererkennt. Niemand will das zankende Paar in der Öffentlichkeit sein, aber manchmal ist man es eben doch. Tut doch ganz gut, zu wissen, dass bei anderen auch nicht immer alles rund läuft. Aber, noch wichtiger: Die Probleme der anderen, die sind doch so viel einfacher zu ertragen, als die eigenen. Ist es nicht genau das, was so viele Menschen an Trash-TV reizt? Wieso sonst guckt man fremden Leuten im Fernsehen dabei zu, wie sie sich zanken und zoffen – und merkt dabei, wie man sich paradoxerweise entspannt? Ich glaube, dass das die beste Ablenkung für eigene Probleme ist. Da kann man außerdem immer mit dem Gefühl rausgehen: Also, bei mir läuft ja vieles schief, aber SO schlimm wie bei denen ist es zum Glück nicht! Heißt: Wenn du dich das nächste Mal in der Öffentlichkeit streitest, tust du wem anders damit vielleicht einen Gefallen. Schöner Perspektivwechsel, oder?


In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im wöchentlichen Wechsel über Themen, die Frauen um die 30 bewegen.

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