Hildesheim - Ich sitze im Kino, in der Hand eine Tüte Popcorn, auf der Leinwand startet der Film, und ich weiß sofort: Das war ein Fehler. Katharina, letztens hab ich mir eine Dokumentation über die Freiheitsbewegung im Sudan angeschaut, und schnell gemerkt, es ist kein Popcornfilm. Gut, hätte man vorher drauf kommen können.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber mir ist sowas schrecklich unangenehm. Im stillen Kino zu sitzen, und dann laut Popcorn zu essen. Gehört sich irgendwie nicht, oder? Knigge wäre sicher empört. Was mache ich also: Nehme immer ganz zaghaft nur ein einzelnes Popcorn, lasse den Zucker im Mund schmelzen, bis das Ganze nur noch eine aufgeweichte Masse ist, und kaue dann langsam wie eine Schildkröte.
Kinosaal mit Dönergeruch
An dem Tag hat mich aber nicht nur der Film zum Nachdenken gebracht – sondern auch die Frage, ob dieses dolle Rücksichtnehmen eigentlich gar nicht nötig ist, und ob es anderen in meiner Situation auch so ginge. Ganz ehrlich: Ich glaub, du hättest dein Popcorn auch gelutscht. Gib es zu! Ist das vielleicht ein weibliches Problem – die Angst, zu viel zu sein, zu laut, zu auffällig? Andere zu stören? Und: Sollten wir uns davon verabschieden?
Meine bisherigen Theorien zu dem Thema fanden aber ihr rasches Ende. Genau genommen beim nächsten Kino-Besuch. Es gibt ja die goldene Regel, keinen Döner im Büro zu essen – aber die muss doch auch fürs Kino gelten, oder? Benimmregeln hin oder her, die Frau neben mir jedenfalls, die pellte in aller Seelenruhe während des Filmes die Alufolie von ihrem Essen, bald schon war der Saal vom Dönergeruch eingefangen. Ob ihr das unangenehm war? Keine Spur. Zumindest entnahm ich das ihrem abschließenden Zwiebel-Aufstoßer.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.
