Hildesheim - Vorige Woche hast du mich gefragt, wie Frauen sich auf dem Heimweg sicher fühlen sollen, liebe Katharina – und ich kenne diese Angst, das mulmige Gefühl, nachts allein durch dunkle Straßen zu gehen. Mich beschäftigt zur Zeit aber noch eine andere Sache.
Wer Nachrichten verfolgt, liest eigentlich täglich von schrecklichen Vergehen an Frauen. Die Olympia-Läuferin Rebecca Cheptegei aus Uganda ist tot, nachdem ihr Exfreund sie mit Benzin übergossen und angezündet hat. Ein Schweizer Model wurde von ihrem Ehemann getötet, er soll ihre Leiche nach der Tat mit einem Stabmixer zerstückelt haben. In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Jahrelange Vergewaltigungen – und das Opfer weiß nichts davon
Alles Partner und Ehemänner, Menschen also, vor denen man nicht in Angst leben sollte. Eine Frau geht mir außerdem seit Wochen nicht aus dem Kopf. Und dass die Öffentlichkeit ihren Namen kennt, ist eine kleine Sensation: Gisèle Pelicot. Die Französin soll hundertfach vergewaltigt worden sein. Nein, nicht vom fremden Mann auf dem Heimweg – von ihrem Ehemann und 50 weiteren Männern, die dieser über das Internet genau dazu eingeladen haben soll.
Ihr Mann soll ihr über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder Tabletten verabreicht haben, die sie bewusstlos gemacht haben. Er sah dann dabei zu, wie die Männer sie vergewaltigten – während er tagsüber den liebenden Ehemann gab.
Winzig kleiner Hoffnungsschimmer
Das ist alles so ekelhaft, diese Vorstellung, was die Frau empfunden haben muss, als die Polizei ihr Fotos ihres sedierten Körpers vorlegte, unvorstellbar. Bei so viel Frauenhass ist es schwer, nicht die Hoffnung zu verlieren. Aber ich versuche es trotzdem mal.
Erstmal ist da Gisèle Pelicot selbst, die sich dafür entschied, den Prozess öffentlich auszutragen. Weil sie sagt: Die Scham muss die Seite wechseln; sie muss sich für gar nichts schämen. Das ist stark. Ihr Gang ins Gericht wird nun begleitet von vielen Menschen vor dem Gerichtssaal, die ihr zujubeln. Sie unterstützen.
Und: Dass der schreckliche Fall überhaupt erst ans Licht kam, liegt an einem relativ neuen Gesetz, dass das sogenannte „Upskirting“ strafbar macht. Pelicots Ehemann wurde dabei erwischt, wie er Frauen unter den Rock fotografierte – so erst stießen die Ermittler auf die Aufnahmen seiner Ehefrau. Also gut, dass die Gesetze spezifischer werden, sich den heutigen Zeiten anpassen. Ich weiß, Katharina, das sind nur winzig kleine Lichtblicke. Aber daran halte ich mich fest.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben sich die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im wöchentlichen Wechsel über Themen, die Frauen um die 30 bewegen.