Kreis Hildesheim - Am Vormittag haben Landrat Bernd Lynack und Kreisbrandmeister Mathias Mörke für den Landkreis den Katastrophenvoralarm ausgelöst. „Nach sorgfältiger Analyse aller uns vorliegenden Erkenntnisse und Erwartungen sowie in Absprache mit Sarstedts Bürgermeisterin Heike Brennecke“, sagt Lynack.
Deren Schilderung aus erster Hand hätten ihn in seiner Entscheidung, das nächste Register zu ziehen, noch einmal gestärkt. Schon jetzt sind Teile der Stadt stark bedroht. Und bewahrheiten sich die Prognosen vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), wird es insbesondere den kleinen Ort Ruthe noch deutlich schwerer treffen, auch Wohngebiete von Sarstedt stünden dann vermutlich im Wasser.
Blick auf die kommenden Stunden
Mörke erklärt die Problematik: Wegen des massiven Wasserablasses der Innerstetalsperre und des Rückhaltebeckens Salzderhelden würden Innerste und Leine in den kommenden Stunden am Dienstag höchste Pegelstände haben. Für die Leine werden an der Poppenburg 4,40 bis 4,60 Meter (Stand 13 Uhr: 4,32 Meter), für die Innerste bei Heinde 6,35 bis 6,80 Meter (Stand 13: 6,23 Meter) erwartet. Das sind für sich genommen schon kritische Werte. Bei Ruthe fließt die übervolle Innerste aber in die Leine, schon jetzt staut sich das Wasser erheblich zurück, ist der Ort wegen überfluteter Straße quasi eingeschlossen. Einzig über ein paar Feldwege ist das Dorf derzeit noch zu erreichen. Mörke warnt die Menschen eindringlich, sich an Straßensperrungen zu halten. Die gebe es schließlich aus gutem Grund. Wer sie missachtet, begebe sich nicht nur selbst in Gefahr, sondern binde im schlimmsten Fall auch Einsatzkräfte, die anderswo dringend gebraucht würden.
Mit weiter steigenden Fluten sind nun aber auch Wohnhäuser im alten Teil von Ruthe ernsthaft in Gefahr. Lynack schließt Evakuierungen nicht aus. „Das soll dann ein Angebot an die Bürger und Bürgerinnen sein“, betont er. Ihm sei klar, dass es keine leichte Entscheidung sei, Hab und Gut zurückzulassen, um vorübergehend in eine Notunterkunft zu ziehen. Derzeit werden bereits entsprechende Räume vorbereitet.
Bis 5 Uhr am 27. Dezember wird das Wasser nach derzeitigen Erkenntnissen ansteigen. „Erst dann rechnen wir mit sinkenden Pegelständen“, so Mörke.
2500 Menschen in Sarstedt akut bedroht
Doch bis dahin ist die Gefahr dort eben groß. Und auch Wohngebiete in Sarstedt könnten in den kommenden Stunden überschwemmt werden. Rund 2500 Menschen seien akut in Sarstedt betroffen. Deshalb hat sich die Stabspitze für den Katastrophenvoralarm entschieden und Lynack will auch nicht ausschließen, dass er einen weiteren Schritt geht und den Katastrophenfall erklärt.
Schon der Voralarm versetzt den Landkreis in die wichtige Lage, schnell und unbürokratisch weiteres Material und Personal von außerhalb anzufordern. Außerdem organisiert allein der Stab des Kreises nun alle Hochwassereinsätze im Kreisgebiet. „Einer muss den Überblick haben, um zu entscheiden, wann, wo, wer eingesetzt wird“, erklärt Mörke. 2017 musste sich der damalige Landrat Olaf Levonen viel Kritik gefallen lassen, weil er trotz der verheerenden Situation an einigen Stellen im Kreis keinen Katastrophenalarm ausgelöst hatte.
Erste Hilfe von auswärts ist in Sarstedt angekommen
In Sarstedt sind mittlerweile 150 Frauen und Männer der Feuerwehren des Landkreises Hameln-Pyrmont angekommen. Und es werden sicher weitere Einheiten aus anderen Landkreisen dazu kommen. „Alle Nachbarlandkreise sind über unsere Situation informiert“, sagt Lynack.
Während sich rund um Sarstedt die Situation verschärft, scheint die Hochwasserlage in anderen Teilen des Landkreises stabil zu sein oder sich sogar zu beruhigen.
So sieht es in der Region aus
Für den Raum Bad Salzdetfurth, der 2017 zu den am stärksten betroffenen Bereichen der Region zählte, rechnet Mörke am Dienstagmittag mit keiner akuten Bedrohung mehr. Die Pegelstände seien zwar hoch. Aber die Lamme könne problemlos abfließen, die Dämme der Innerste würden regelmäßig mit Drohnen abgeflogen und kontrolliert. Es gebe keine Schwachstellen.
In Holle läuft im Bereich Michelswiese und Am Rolande unter anderem die große Pumpe des Landkreises. Das Wohngebiet hat – wie so oft – Probleme mit dem Grundwasser. In Grasdorf läuft im Gewerbegebiet die Sandsackfüllmaschine, um den Vorrat an Säcken aufzustocken. Unter anderem ist auch Unterstützung vom THW vor Ort im Einsatz.
In der Gemeinde Giesen werden die bestehenden Sandsackwälle massiv aufgestockt, damit sie dem erwarteten Wasserstand Paroli bieten können. Außerdem wurde in Ahrbergen auf dem alten Kasernengelände ein weiteres Aquariva-System installiert.
In Alfeld ist noch nicht abzusehen, wie sich die Lage entwickelt. Dort waren in den vergangenen Stunden schon einige Bereiche an der Leine überschwemmt, zudem gab es Problem mit der Warne. Hier wird vor allen Dingen der Niederschlag vor Ort eine große Rolle spielen, ob sich die Lage beruhigt.
Auch am Dienstag informiert die HAZ fortlaufend im Liveticker über das Hochwasser in der Region.